Alzheimer und Co.: Andrea Sawatzki zeigte die Hölle von pflegenden Angehörigen auf – Sie musste sich mit 12 Jahren nachts um ihren jähzornigen, demenzkranken Vater kümmern
Ein Kommentar des Psychiaters Josef Eduard Kirchner
Sehr geehrte Frau Sawatzki, ich zolle Ihnen hiermit großen Respekt und Bewunderung. Sie haben den Mut gezeigt, Ihre tiefen, unangenehmen, aber völlig berechtigten Gefühle im Erleiden des Umgangs mit ihrem Vater offen zu benennen. Schämen Sie sich nicht dafür! Schon Sigmund Freud veröffentlichte zu den tiefen, verborgenen und meist unbewussten Gefühlen tief in unserem Inneren, die er als „Es“ bezeichnete. Wir alle können bei uns selbst in Abgründe blicken, die grauenvolle Gefühle und Impulse beherbergen.
Ich selbst habe zuerst die Tante meiner Frau in die Demenz gehen sehen, später mitansehen müssen, wie meine Mutter scheibchenweise im Nirwana verloren ging und schließlich bei meiner Schwiegermutter den gleichen schleichenden Prozess miterlebt. Ich kenne die widerstreitenden Gefühle, die mit Mitgefühl anfangen und über Resignation zum Tötungswunsch werden können. Leider wird in unserer heutigen Gesellschaft mehr von Moral als von Ehrlichkeit gesprochen und alle Gefühle oder Impulse, die nicht den Moralvorstellungen entsprechen, werden verteufelt, verschwiegen oder mit Shitstorms überzogen. Hier kann ich nur Herrn Qualtinger zitieren, der sagte. „moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen“. Die Pflege alter Menschen ist eine große Aufgabe, die sich die meisten Mitbürgerinnen nicht aufhalsen lassen sollten.

Gendersternchen sind hier überflüssig, weil natürlich (fast) immer weibliche Familienmitglieder in Anspruch genommen werden, die sich aus dem Gefühl der Verpflichtung meistens nicht lösen können. Wenn man Glück hat, pflegt man eine reizende alte Dame, die sich mehrmals täglich für die Unterstützungen bedankt. Wenn man Pech hat muss man einen aggressiven Demenzpatienten pflegen. Auf den muss man auch noch aufpassen, damit er nicht unbemerkt das Haus verlässt und in der Nachbarschaft verloren geht oder in der Küche die Herdplatte anmacht, es wieder vergisst und die Zeitung nach dem Durchblättern auf den Herd legt. Das führt dann immer wieder zum Tod einer ganzen Familie durch Kohlenmonoxydvergiftung bei den folgenden Schwelbränden.
So kommt es zwangsläufig zu der Frage, ob man sich das weiter antun muss. Wenn ich Ihre Äußerungen richtig verstanden habe, haben sie sich das Schicksal der Altenpflegerin mit 12 Jahren nicht freiwillig ausgesucht, sondern erfüllten die Ihnen auferlegten familiären Pflichten. Hier haben sie mein tiefstes Bedauern, weil sie in diesem Lebensabschnitt eigentlich andere Entwicklungsaufgaben in ihrer Persönlichkeit zu bearbeiten gehabt hätten. Welche Motive auch immer ihre Mutter gehabt haben mag, sie so unerbittlich in die Pflege ihres Vaters zu verpflichten, haben sie auch guten Grund auf ihre Mutter wütend zu sein, weil sie keine Wahl hatten, als Opfer der Gewalt ihres Vaters zu werden.
Natürlich hätten sie es verdient gehabt, dass sich ihr Vater mit ihnen in seiner Freizeit auch um sie und ihr Wohlbefinden gekümmert hätte, aber die Demenz hat ihnen diesen Teil ihrer Jugend verwehrt. Das Leben ist leider oft ein Zyniker. In meiner familientherapeutischen Arbeit habe ich oft mit Familien zu tun, die ihre knapp bemessene Freizeit mit der Pflege eines Angehörigen verbringen. Ich warne alle Familien davor, weil es unendlich viel Arbeit ist und immer mit dem Tod des Angehörigen endet. Das Gefühl der Sinnlosigkeit des eigenen Tuns ist vorprogrammiert. Ich habe Familien auch schon gewarnt, dass sie die Zukunft ihrer Kinder nicht auf dem Altar der Altenpflege opfern dürfen.

Für meine Person darf ich sagen, dass ich in meiner Patientenverfügung meine Kinder verpflichte, mich in ein menschenwürdiges Altenheim zu bringen, wenn ich nicht mehr Herr meiner Sinne bin. Meine Kinder sollen lieber sagen: „Lass uns doch Opa im Heim besuchen!“ als „Hilf mir mal, Opa hat wieder auf den Wohnzimmerteppich gek*ckt!“.
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